Cluster Images - Präsenz und Notwendigkeit©
Während für die neokonservativen Bestrebungen,
wieder zu den Wurzeln ästhetischer Probleme vordringen zu
wollen, mit Marcel Duchamps Flaschentrockner das theoretische
Gerüst solcher Diskussionen um dann museale
Präsentationen und deren Kontextkopfstände immer noch
hinreichend illustriert werden kann, bleibt letztendlich auch immer
noch die Frage offen, was das gute Stück außerhalb
institutionalisierter Instant-Aura noch zu bieten hat. Denn noch
funktioniert es! Demgegenüber sind in einer Reihe von
Untersuchungen bereits Überlegungen zur Kunst als sozialem
System ausgearbeitet worden, sowie in einigen Entwicklungen im
Bereich der Künste offensiv schon künstlerische Mittel
genutzt werden, um Funktionszusammenhänge gesellschaftlicher
und wissenschaftlicher Gegenwart darzustellen. Gemeinsam ist den
verschiedenen Vorgehensweisen ein immanent dezentraler
Ordungsbegriff, eine feldorientierte Datenerfassung und die Tendenz zu
interdisziplinärer und transmedialer Datenverarbeitung.
Angesichts der notwendig arbeitsteiligen und im Verbund zu
arrangierenden Untersuchungsergebnisse, haben wir uns entschlossen,
für den künstlerischen Bereich solche modular
strukturierten Werke mit dem Begriff Cluster Images zu
umreißen. Grundlage dieser Begriffsbildung waren
Forschungsergebnisse aus verschiedensten Bereichen, die nahelegen,
daß gut organisierte Arbeitsteilung effizientere Ergebnisse ebenso,
wie flexiblere und mobilere Reaktionsmöglichkeiten
ermöglicht. In einer Analogie zu Tendenzen der Kunst in den 20er
und 30er Jahren und sehr deutlich schon beispielsweise in den Collagen
von Hannah Höch und John Heartfield herausgebildet, haben wir
versucht, die inhaltlich arbeitsteilige Aufteilung von Bildflächen
konstruktiv weiterzuschreiben, und, erweitert um die dem bewegten
Bild entstammenden Montagetechniken des found footage
(beispielsweise von Stan Brakhage oder Bruce Conner) als Bedingungen
vorallem sozialer Verbundreferenzen aufzufassen.
So ging es bei dem Konzept für Cluster Images darum, Werke
zu finden, deren sowohl kunstinterne, selbstbezügliche
Konstruktionen auf verschiedenen Ebenen organisiert sind, wie auch
ihre nach außen gerichteten Zielsetzungen, Intentionen und
Wirkungen dann auch äußere Situationen wie Räume,
Geschichte, soziale Beziehungen, Wirtschaft oder Wissenschaft
arbeitsteilig anschließen und integrieren können. Konkrete
Projekte, die ortsbezogen auch politische und soziale Problematiken zu
integrieren versuchten, wurden besonders gefördert, so daß
es schon für die Vorbereitungen zu Cluster Images entscheidend
wurde, Räume und Orte zu finden, die durch ihre Geschichte und
ihre Funktion auch konkrete Bezugsmöglichkeiten für die
künstlerisch zu setzenden Inhalte öffnen konnten. Museale
Ausstellungssituationen und Galerieambiente wurden nicht geboten. Mit
der engagierten Unterstützung durch die Anwohner ist es
schließlich gelungen, geeignete Räume zu finden. Daß
durch diese Vorgehensweise auch kontextuell nicht mehr die
üblichen in der Kunstgeschichte aufzureihenden Weltbilder
produzieren werden würden, sondern sehr prägnante und
wirkungsvolle Bildgruppen mit gezielten
Funktionszusammenhängen und Zeitbedingungen vorgestellt,
machte bereits im organisatorischen Vorfeld des Festivals die
intervenierende und kritische Qualität situativer Arbeitsweisen
ebenso deutlich, wie Cluster dadurch sich als methodisch
funktionierende, modulare Arbeitsfelder vorstellen konnten.
In Ergänzung zur ersten Kataloglieferung, mit der vorallem
die inhaltlichen und konstruktiven Grundlagen des Festivals umrissen,
sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgestellt wurden, sollen
mit der vorliegenden, integrierbaren Dokumentation konkret die
gezeigten Werke, deren Ausstellungssituation und die Ausstellungsorte
beschrieben und besprochen werden. Der dabei entstandene Text
entstammt unserer gemeinsamen Eröffnungsrede, die zum Druck
überarbeitet wurde. Die Reihenfolge der knappen Vorstellungen
wurde dabei belassen; sie entspricht einem vollständigen
Rundgang durch die Ausstellungsräume und über die
Aktionsplätze. Auf eine weiterführende Interpretation der
einzelnen Arbeiten wurde mit Rücksicht auf den Umfang der
Dokumentationen und das darin vorzustellende Bildmaterial verzichtet.
Der Bahnhof Calbe-Ost, der um die Jahrhundertwende im Zuge der
fortschreitenden Industrialisierung entstanden ist, wird heute nicht
mehr bewirtschaftet. Zwar fahren und halten noch Züge und auch
gibt es noch einen Fahrplan, aber Gaststätte, Wartehalle, Schalter
und Büros wurden nach 1989 geschlossen. Geblieben ist ein in
seiner Leere verblüffend funktionierendes Bild, nämlich das
der Schwelle zwischen Stadt, Ort, Region und entfernten Orten, die nur
über Reisen zu erreichen sind. Diese Transitfunktion spielte bei
der Konzeption des Ausstellungszusammenhangs bezüglich der
geschichtlichen Referenzen eine ausschlaggebende Rolle, so daß im
Bahnhof Arbeiten installiert wurden, die sich dezidiert mit dem Reisen
und Transporten auseinandersetzten. Sehnsüchte und
Träumereien, die zum treu romantischen Bild des Reisens
hinzugehören, hatten mit der Realität des Stillstandes, der
Rezession und dem teilweise desolaten Zustand der öffentlich
zugängigen Räume zu konkurrieren.
Thom Barths Reisegegenstand, ein dominanter aber leichter
Quader im Raum ist umwickelt und umspannt mit einer Montage aus
unzähligen Folienbildern und -texten, die sich explizit auf Reisen
und Erinnerungen beziehen. Von ihm als Kubus virtuell definiert,
verweisen die aneinandergeklebten Kopien auf eine
gleichmäßig bildansichtige Version von Welt, um die
Betrachter mit der Erfahrung, daß es sich real nicht um einen
Kubus handelt, in folglich ungleichen Ansichten bewegen können.
In der Vertauschung der in die Ferne weisenden, axialen
Zentralperspektive mit einer Summe verschiendener Ansichten gerinnt
die Reise zur erinnernden Reproduktion von Bildern. Mit Bänken
zu einem neuen Wartesaal deklariert, scheint der Raum selbst
Gegenstand einer Reise zu sein. Und die Differenzen der Erinnerungen
beruhen somit auch auf Definitionen.
Norbert Meissners Filmfax konsolidiert die ausufernden Reisen in
die phantastischen Gefilde der Genrefilme. In einem Fix-Foto
Paßbildautomaten platznehmend, der, wie üblich, in der
Bahnhofshalle aufgestellt ist, wählt ein Betrachter, durch den
dezenten Vorhang diskreter Privatheit geschützt, per Knopfdruck
zwischen Abenteuer und Western ein Programm. Prompt erscheint
anstelle der sonst eingebauten, blitzenden Kamera auf einem Monitor
ein Film, der durch eine sehr überzeugende Auslassungstechnik
auf etwa eine Minute gekürzt, dennoch als Kult identifizierbar,
erkennbar und sehr unterhaltsam ist. Diese Filmkürzel aktivieren
unwillkürlich das Gedächtnis und bringen das virtuelle
Reisen wie den der Bilderflut entspringenden Erinnerungsnotstand auf
den Punkt.
Pat Binders Zapping Line besteht aus einer mehr als 7 Meter
langen Wandkonsole, auf der etwa 70 Glasplatten mit fotografischen
Fernsehstills neben- und hintereinander arrangiert sind. Die Arbeit
stammt aus einer Werkgruppe gleichen Titels und untersucht die
Chance, im Schnitt und der Montage von Bildern, die durch
Channelhopping mehr oder weniger zufällig entstehen, einen
Ausdruck individueller Haltung und Positionierung zu setzen. Daß
Binder dabei Film und Videotechniken auf verdinglichte Bilder
anwendet, gibt der Arbeit jene Kraft, die sie einheitlich erscheinen
läßt. Im Bahnhof werden die Bilder von den Grafittis und
Sprüchen unterlegt, mit denen Präsentationswand
lückenlos bedeckt ist. Die Redundanz der zufälligen Bilder
wird gebrochen und aus der gleichgültigen Reise in den
Überfluß visueller Multiplikation ist eine eindeutig
körperliche Ortsbestimmung gewachsen: hier bin ich.
Die Installation Massnamen von Costantino Ciervo
präsentiert eine Videokonferenz. Um einen Glastisch, auf dem 64
LED- Anzeigen eine vorerst noch nicht nachvollziehbare Operation
wiedergeben, stehen 3 Stühle, deren Polster durch Monitore
ersetzt sind. Auf den Monitoren laufen Bilder, der G7- Regierungschefs
mit Namen, Bilder und Bezeichnungen von Viren und Bilder von
Pflanzen mit deren botanischen Namen. Der Dialog zwischen Politik und
Natur gerät durch das etwas anarchische Element mikroskopisch
kleiner Gefährdungen offenbar erst in ein Gleichgewicht, denn die
LED- Anzeigen berichten uns seriös und logisch vollständig
den Stand der jeweiligen kombinatorisch eingegangenen Beziehungen.
Das Spiel um Alles oder Nichts, das Ciervo im ehemaligen Billiardraum
des Bahnhofs arithmetisch neutralisiert und ironisiert, präsentiert
vor Ort sicher das Ergebnis politischen Jet-sets und in spekulativ
denkbarer Virtualität ist es dem nahe, was Paul Virillio den
rasenden Stillstand nennt.
Auch die mehrteilige Bodenskulptur Reprodukt von Roland
Stratmann präsentiert in einer Art rasendem Stillstand eine
derzeitige Schwellensituation. Stratmann benutzt industriell
vorgefertigte Vasenkörper aus einer Massenproduktion, um an
ihnen ein applikatives Exempel der Wahrnehmung künstlerischer
wie wirtschaftlicher Produktionen durchzuführen. So werden an
den Vasen stempelähnlich Körper angebracht, auf deren der
Vase abgewandter Seite eine Ansicht wiederum der Vase von einer
anderen Position aufgedruckt ist. Das Babushka- Motiv der Puppe in der
Puppe wird überschrieben mit dem nach Außen
wuchernden Fraktal eines Bildes von einem Bild an einem Bild auf
einem Bild von usw. Es ist selbstverständlich, daß dabei der
Gebrauchswert der Vase verschwindet und die Produktion gezielt
leerläuft. Abseits gängiger Bildtautologien findet Stratmann
zum absoluten Stillstand der Ware, die, definitiv gegen die
erkenntniskritische Aufgabe der Wahrnehmung gerichtet, nurmehr
über den Umweg der Reproduktion überwunden werden
kann. Der Diskontinuität differenzieller Bestimmung folgt die
Ortlosigkeit des Massenproduktes dann nach. Am Bahnhof gelagert,
wartet das kritische Wissen listig damit auf seinen Versand.
Der einzige Ort, der in der Reihe der Ausstellungsräume
für Cluster Images je dezidiert für Kultur- und
Repräsentation geschaffen worden war, ist das Kulturhaus des
ehemaligen Gelantinewerks in Calbe. Während das Werk bereits
abgerissen wurde, die Umweltschäden seiner Produktionstechnik
noch behoben werden und viele der Arbeiterinnen und Arbeiter der
Fabrik noch ohne neue Anstellung sind, konnte das Kulturhaus, für
das es keine Verwendung mehr gab, verkauft werden. Es dient, seiner
geräumigen Weite wegen, heute als Lagerhalle für
Maschinenteile und soll, so der Wunsch der heutigen Besitzer, in den
bestehenden Nebenräumen wieder kultureller Arbeit zur
Verfügung stehen. Die Entscheidung einen solchen Raum, der in
der Erinnerung noch mit der Kultur der DDR identifiziert werden wird,
mit Beiträgen kritischer Kultur zu aktuellen Bedingungen zu
nutzen, konnte also nicht leichtfertig getroffen werden. So haben wir in
diesem Raum Arbeiten gesammelt, die von der Geschichte des Raums
ebenso eingenommen sind, wie von der Notwendigkeit, sie zu
akzeptieren. Offensiv ging es eben in der Präsenz von Geschichte
und ausgehend vom Kommentar darum, den Übergang einer
subjektiven zu einer gemeinschaftlichen Geschichtserfahrung zu
initiieren.
Gleich am Eingang der Halle übernimmt die
Gegenüberstellung der Arbeiten von Peter Vogel und Costantino
Ciervo eben jene Diskussion. Peter Vogels interaktive Klangskulptur
Zufall oder Notwendigkeit übergibt dem Beobachter die Rolle eines
Mitarbeiters, oder, angesichts der offengelegten und fragilen Elektronik,
die Rolle des eigentlich sensiblen Aktiven. Die Bewegung des initiativ
werden Beobachters erzeugt Töne, deren Abfolge und Logik
sowohl Geduld und Einfallsreichtum, als auch Rationalität und
Analytik verlangen. Ob aus der zufälligen Geräuschkulisse
eine Partitur und in jener dann eine Choreographie zu finden ist, macht
Bewegung, und gerade die in einem Entrˇe zu einer existentiellen Frage.
Costantino Ciervos Philosophenportrait Marcuse benutzt die Technologie
eines Anrufbeantworters interaktiv. So ist es wahrscheinlich, daß
der Kulturkritiker die Worte der Besucher ebenso wiederholt, wie die
Kompositionen aus Peter Vogels Arbeit und in deren
Überlagerung der Wirklichkeit verdächtig nahekommen
wird.
Die große Halle, in der teilweise noch und schon wieder
Maschinenteile lagern, ist fast vollständig von einer Papierarbeit
am Boden eingenommen. Martin Dammanns MIG-Haut ist die Frottage,
also der1:1 Abrieb eines MIG-Kampfflugzeuges, dessen
differenzsymbolische Kulturverdrängung im Schnittmusterbogen
nun vor uns liegt. Auf Japanpapier abgenommen, ist die Decollage des
Kampfflugzeugs in der Nähe der Maschinenteile und, im Bereich
der ehemaligen Bestuhlung der Kulturhalle plaziert, ein sehr deutliches
wie sensibles Zeichen dafür, was in Kulturhäusern, West wie
Ost, oft und eigentlich gezeigt wurde und noch wird.
Die an der Kopfwand, über der ehemaligen Bühne
beginnend gehängten FormationsspieleSinje Dillenkofers zeichnen
die Choreographie künstlerisch ermöglichter Freiheit auf.
Mitarbeiter und Führungskräfte der Personalabteilung einer
Bank waren aufgefordert sich auf einer Bühne frei, aber als
Gruppe zu verhalten. Je eine Kamera hat die Ergebnisse davon einmal
auf- und einmal ansichtig registriert. Der dabei entstandenen
Selbstinszenierung genügen in seiner Partitur Zwang und
Geometrie ebenso, wie Zufall oder Notwendigkeit.
Mit einer besonders plastischen Form medialer
Gleichgültigkeit beschäftigt sich die Arbeit Läufer von
Kathie Müller-B- . Während die Fotoreihe scheinbar neutral
und präzise strukturelle Oberflächen einer unbekannten
geologischen Formation zu zeigen vorgibt und im Panorama , der
Wiederholung des beweiskräftigen Zusammenhangs noch einen
Überblick schafft, wird mit der Erklärung der Bilder als
Makroaufnahmen von gekauten Kaugummis die kritische Invariable
offenbar. Ergebnis eines schier endlosen und nur rhetorisch zu
nennenden Wiederkäuens, vom Schlucken und Ausspucken
befreit, begleitet uns das Echo des Pawlowschen Reflexes als gediegenes
Ja-Nein-Relief. Vermutlich sind ähnliche Reden auch in der
Kulturhalle schon gehalten worden, aber alleine im Panorama von Kathi
Müller-B- wird ihre tektonische Welthaltigkeit endgültig
aufgezeichnet. Die Partitur steht endgültig.
Sehr zuvorkommend hofiert dagegen Mario Ohno seine
Ausstellungsgäste. Wein wird gereicht, dem Anlaß
entsprechend roter. Doch die der Geschmackskultur anhängigen
Vertreter des runden Abgangs werden enttäuscht. Die Weine
tragen ohne Ausnahme nicht mehr ihr Originaletikett. Sie sind
bezeichnet mit Wort- und Bildwerken des aktuellen Lebens, der
Nachrichten, Katastrophen und Tagesereignisse und müssen
zudem, da zum stilvollen Genuß auch die Weingläser
gehören, gemeinschaftlich direkt vor Ort goutiert werden. Dem
Ambiente merkt man die Deplazierung nicht an, denn Ohnos Bar ist
stilistisch perfekt. Diese Konstellation ist insofern bemerkenswert, als im
Kulturhaus des Gelatinewerks ebenfalls die Kantine des Unternehmens
untergebracht war, in der für bald 10.000 Menschen im
dreischichtigen Betrieb gekocht wurde. Daß darunter,
nämlich im Keller, ein Atombunker für die
Führungskräfte eingerichtet war, macht Geschmacks- und
Stilfragen, wie Ohno sie stellt, zu gesellschaftspolitisch brisanten.
Ampelio Zappalortos fotocollagierten und anschließend
vernähten Porträts eignet auf den ersten Blick nur der
Charme gesichtschirurgischer Feinstarbeit. Vor dem Hintergrund und
durch die Diskussionen zur Situation konstruktiver wie virtueller
Bildgenerierung und der kontrovers verhandelten Geschlechtszuordnung
von Cyborgs oder Vyborgs, geraten seine hand-made Montagen zu
medialen Weltbürgern. Aus männlichen wie weiblichen
Partitionen generiert, offenbaren die Porträts virtueller Homunculi
eine machbare Ästhetik ihrer Möglichkeit. In jener scheint
sowohl die Präzision ihrer Wahrscheinlichkeit durch, wie darin die
Grenzen der Differenzierung am Rande der Systeme in Zappalortos
Bildpartitionen, die jeweils einer weltkarte entsprechen, einen Ausdruck
findet.
Die nordirische Performancegruppe Urban Canvas transportiert
mit Dias Geschichte und Gegenwart im Alltag von Belfast. Die Bilder
zeigen Plätze von Demonstrationen, Aktionen, Anschlägen
und Straßenschlachten und werden, einerseits dokumentierend,
anderseits besitznehmend auf Wände und Häuser in Tornitz,
Werkleitz und Calbe projiziert und abgezeichnet. Die mit Kreide und
Griffeln hinterlassenen Vervielfältigungen und Bildsedimente
konturieren einen politischen Raum, in dem die Notwendigkeit der
Medialisierung und ihr stetiger Transport ein existentieller ist. Fast
selbstverständlich konkurriert dieses politische Kryptogramm an
der Bushaltestelle mit den hinzugekommenen Grafittis.
Auch Roland Bodens Realsubstitutionen transportieren
Befindlichkeiten politischer Dimension. Durch Fotoretusche und
Fotomontage, klassischen Werkzeugen kritischer Bilddarstellungen,
verwandelte er in Tornitz aufgenommene Hausfassaden in Bilder von
festungsähnlichen Schutzbauten. Beinahe in Bauträger-
Werbeschildgröße gebracht, suggerieren sie in Planung
stehende Neubauten, die dem Bebauungsplan entsprechend, der
örtlichen Bausubstanz angepaßt sind. Ihre aus einem
panischen Schutzbedürfnis herausentwickelten Architekturen
entwerfen Privatgefängnisse, die gerade in der befreienden Weite
der Elbe-Saale-Landschaft den absurden Charakter neuen Bauens mit
seinem überdimensional anmutenden Schutzbedürfnis
dokumentieren.
Christian Hoischen, der mit der Multiplikation seiner Arbeit OK an
unterschiedlichen Orten intervenierend auftritt, hält mit der
Häufigkeit des Werkes und der Art seiner Anbringung
präzise die Schwebe zwischen seriell-konkreter Poesie und
Provokation. Das durch etliche schwere und verdübelte Schrauben
an die Wände fixierte Papier, auf dem OK steht, bestätigt im
Werkcharakter sich selbst, begründet ihn und souffliert den
affirmativen Systemen: so geht es doch auch. Die existentielle
Notwendigkeit jedoch, mit der diese Einverständnisse vor Ort in
ganz bestimmten Situationen und für eben deren Bedingungen
gegeben worden sind, erfordern in jedem Fall die Beachtung des Raumes
für die Verhältnisse und aller in ihm befindlichen
Beziehungen. Denn so leicht gäbe in aller Öffentlichkeit
wiederum niemand sein OK.
Frei, aber in einer konzentrierten Pose des Wartens, stehen Jochen
Wüstenfeld und Thomas Werner in ihrer Wipfelperformance auf
einer großen Kastanie in Werkleitz. Einer dem Ort zugewandt, der
andere der Saale, scheinen sie hoch oben die Situation von Gastgebern
und Gästen zu verkehren, denn sie empfangen uns als ihre
Betrachter. Als lebende Skulpturen auch im metaphorischen Sinn an der
Grenze von Natur und Zeichen, personalisieren sie die romantische
Sensucht ebenso, wie ihre Aktion die Notwendigkeit weit blicken
können zu müssen offenbart. Mit der Dauer der Aktion, eine
Stunde lang pro Tag in der Baumkrone zu verharren, entsteht über
den ersten Eindruck des Wartens hinaus auch die Gewißheit eines
Daseins in just der Situation, die Werkleitz und Tornitz gerade geboten
haben: unbekannte Gäste zu empfangen und sie willkommen zu
heißen. Wenn Cluster Images, als Summe von Bildern integrativer
Differenzen verstanden, arbeitsteilig und arbeitsanteilig die Bereiche, an
denen sie situiert sind, untersucht und durch Präsenz am Ort
durch Kommunikation die Fallen der Repräsentation umgangen
werden können, so ist es eben auch effizient, auf einem Baum zu
stehen.
Myriam Laplante, deren Performancekonzept in der Beobachtung
eben jenes Unterschiedes von Präsentation und Präsenz
liegt, hat mit ihrem Vorschlag einer mutierten Meerjungfrau,
präsentiert an der Saale, die trügerische Einheit von Natur
und menschlicher Verfügungsgewalt aufgebrochen. Wenn
beispielsweise der Saaleausbau, eine Staustufe und deren Umweltfolgen
zwar kurzfristig gestoppt werden konnten, dann stehen langfristig im
Umfeld gentechnoider Verschmutzungen ganz andere Folgen noch an:
wenn sich in den Augen der Betrachter Phantasie und
Realität mischen, ereignen sich Mutationen, es stellt sich
Schizophrenie ein und Träume zerbrechen.
Bei der Auswahl der Ausstellungsräume stellte sich die
Frage, ob solche, die noch in vollem Umfang genutzt werden, aus
praktischen Gründen durch künstlerische Beiträge
überhaupt zu verändern wären und ob die
Gelegenheit, solche Räume doch benutzen zu können, die
Kunst kontextuell nicht eher in die Defensive zwänge. Wenn
zusätzlich noch rituelle und symbolische Inhalte die Räume
kennzeichnen, wären der Kunst also extreme Aufgaben gestellt.
Die beiden Dorfkirchen, die, wie in kleineren Gemeinden
üblich, jeweils mehrfachgenutzte Räume aufweisen, haben
uns eben deswegen gereizt, so daß sie auch im
Ausstellungsangebot auftauchten. Der Zusammenfall von
Öffentlichkeit, Privatheit, Symbolik und sozialem Zusammenhalt
gab schließlich dafür den Ausschlag.
Rainer Gottemeier hat mit seinem Projekt inter-esse ein dichtes
und konkretes Netz an sozialen, räumlichen und zeitlichen
Bezügen zwischen den beiden Gemeindeteilen und
visionären Orten gelegt. Ausgehend von Kirchenbüchern,
registrierte er alle derzeitigen Einwohner der Gemeinde, kopierte deren
Namen jeweils auf Klarsichtfolien und band die Blätter zu je einem
Gemeindebuch zusammen, das er in der Kirche der jeweils anderen
Gemeinde auslegte. Unter Glas ansichtig, aber für direkte Zugriffe
versperrt, übernimmt dort die Projektion eines Videobandes in
endloser Erinnerung das Blättern, und so wie im Wechsel die
Transparenz sich zur Gegenwart verhält, so würde die
tatsächliche Erinnerung ohne den sich wiederholenden Aufruf
diffus. Den Aufrufen entsprechen Gottemeiers visionäre Begriffe,
die er, einem Satz Roland Barthes verbunden, als aufrecht stehende
Zeichen, als Wortpfeiler zwischen Erinnern und Vergessen an
Hauswänden, Toren und Fenstern errichtete.
In der Tornitzer Kirche wird seine Arbeit von der Videoinstallation
von Paul Harrison und John Wood kontrapunktiert. Dem endlosen
Bildvergleich Gottemeiers steht eine ausweglose, also symbolische,
entgegen, bei der eine Art invertierter Sisyphos in einem sich
drehenden Kasten versucht, den Boden unter den Füßen
nicht zu verlieren. Dramatisch gestaltet sich die Situation, weil der
Kasten zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist, so daß der
Eingeschlossene sich auf steter Flucht vor einer Flutwelle befindet. Dem
inhaltlich ausgerichteten Ausstellungskonzept entsprechend, lag es nahe,
diese Arbeit im Andachtsraum der Kirche zu positionieren, um in
direkter Auseinandersetzung der verschiedenen symbolischen
Bezüge die auch notwendigerweise neuen Inhalte wahrnehmen zu
können.
In der Werkleitzer Kirche wird Gottemeiers Verschränkung
von realen, d.h. vor Ort und heute bestehenden Daten und Namen
fortgeschrieben mit solchen, die raumzeitlich fehlplaziert aber
symbolisch sind. Ampelio Zappalortos Installation zeigt eine in Rot
getauchte siebenfache Projektion winziger eigener Portraits auf die
Oberfläche von sieben mit Wodka gefüllten Gläsern. In
der Abfolge der unterschiedlichen Bilder im Kreis findet er den feinen
Unterschied zwischen der fortwährenden Wiederholung des Selbst
und der Verschiedenheit von dessen Erscheinungen. Der Koinzidenz von
Rausch und Selbstbespiegelung war vor Ort erkenntniskritisch nichts
mehr hinzuzufügen.
Wenn eine Kegelbahn kurzfristig durch Kunst stillgelegt
würde, wie müßten die Werke dafür dann
aussehen? Es sollte sich wohl auch wieder ein für die Bilder
notwendiger Zusammenhang und eine durch sie erzeugte Notwendigkeit
einstellen, mit der die Okkupation überzeugend zu rechtfertigen
wäre. In Absprache mit den Nutzern wurde von den
PerformernGido Dietrich und Vän¨i Stirnemann im Verlaufe des
Festivals dort nun eine Materialsammlung angelegt. Aus
Fundstücken und am Ort erworbenen Produkten bestehend, gab
sie die Zeit-Ort-Verhältnisse der Gemeinde, der
Ausstellungssituationen und der Lebensgewohnheiten eben jener
wieder, die sich jetzt gerade und notwendigerweise hier aufhalten. In
der abschließenden Aktion arrangierten beide Objekte und
Territorium, um in einer subtilen Analyse den Raum, die
Gegenstände, die Marktsituation nach der Wende 1989 und die
Produktionsverhältnisse vor Ort zusammenbinden zu
können. Während einer, am Boden kniehend, die
fortwährende Prozedur kontinuierlichen Arbeitens mit dem
Streichen, Glätten und Walken des Lederbezuges eines
Sportgerätes endlos wiederholte, schnitt und teilte der zweite,
dessen Arbeitstisch aus den Sockelteilen des Turngerätes bestand,
Speck, um die übriggebliebenen Schwarten anschließend
gewaltsam mit Messer und Fleischklopfer zu einem Produkt
zusammenzutreiben. Die dabei offengelegten Spielregeln des ungleichen
Spiels entstammen den Differenzen aus Produktion und Umtrieb im
Vertrieb von Waren und kennzeichnen nach wie vor das wirtschaftliche
Gefälle zwischen Ost und West.
Das Verhältnis von Bildern zu Produkten, Waren und
Märkten ist ein schon fast klassischer Untersuchungsbereich
kritischer Bildreflexion. Die Ergebnisse dieser Bezugnahmen sind bereits
so vielfältig, daß ordnend sich daraus die Frage ergeben
mußte, welche Notwendigkeiten sich in der Vielfältigkeit
verbergen können oder nicht. Rückgekoppelt
beschäftigt sich auch damit die Kunst bereits, indem sie sich mit
den Problemen des Zwischenhandels und der
Dienstleistungsbetriebsamkeit von Bildern mit künstlerischen
Mitteln auseinandersetzt.
Es lag also nahe, Ausstellungsbeiträge, die bewußte
und akzentuierte Positionen jener Zwischenhandelswelt vertreten, in
einem ehemaligen Konsum zueinander in Beziehung zu setzen, um sie
dort, erweitert um die Dimension des lebensnotwendigen Handels,
notwendigerweise kontextuell der Kunst wieder zueignen zu
können.
Das System A.O.B.B.M.E. von Yana Milev repräsentiert den
radikalen Versuch, Produktionsverhältnisse und
Produktionsweisen ihrer eigenen Arbeit bereits vorab kennzeichnen zu
können. Die per Definition sich selbst als erkenntniskritisches
Produkt setzende Künstlerin sieht ihre in folglicher
Selbstähnlichkeit entstehende Produktion zeitlich als zwingende
Notwendigkeit abstrakter Regeln. Mit Produktstempelaufdruck und
Datum versehen, werden die Besucher ihrer Installation im
Kühlraum des Konsums zur Ware der Künstlerin, die sich,
autopoietische Verfahren konsequent anwendend, ihr eigenes Logo als
branding auf dem Rücken markieren ließ. Auch Ideen sind
Waren, folglich brauchen sie eine Ästhetik.
Tynne Claudia Pollmann, deren Vyborg des Ventrikel-b-Organs
das virtuelle menschliche Organ konstruktiver wie transzendentaler
Arbeit aufzeichnet und mit Innenansichten theoretisch-analytisch bis
hin zu utopischen Vivisektionen auch deren Funktionen abwickelt, hat in
dieser Simulation eine Inversion des Gehirns erzeugt, von der sie sagt,
daß genau ihre Konstruktionsweise unsere Fähigkeit
repräsentierte, mit Realität überhaupt umgehen und
reagieren zu können. Die im Konsum präsentierten
errechneten Bilder zeigen folgerichtig an, was die versuchte Kontrolle
rationalisierter Bilder produzieren mag: eine Ästhetik
ausgehorchter Details.
Kevin Wells, dessen vorgreifender Entwurf eines transzendentalen
Supermarktes mit den Modellen von Welt, Wahrheiten und
Wahrheitsbedingungen handelt, präsentierte sich wie
selbstverständlich in einem Konsum, dem aus Gründen
marktwirtschaftlichen Kalküls und freimarktwirtschaftlicher
Konkurrenz die Waren entzogen worden sind. Genau an der Grenze
zwischen einer abstrakten Reduktion der marktwirtschaftlichen
Kräfte auf alleine logische Bedingungen und der logischen
Reduktion von Wahrheit auf eine Ware liegt die Brisanz des Modellfalls
von Kevin Wells. Denn nur haarscharf ist die Trennung zwischen dem
Modell Kunst und einer Modellkunst.
Jan Verbeeks Installation what you get is what you see zeigt im
Zusammenhang mit allen anderen Arbeiten und der Tatsache des
verschwundenen Tauschmarktes Konsum auf verblüffende Weise
die Produktion kapitalistischen Mehrwertes. Der Videoapparat, der, den
unsichtbaren Weg eines nach Aufforderung eingeworfenen
Geldstückes nur akustisch aufzeigend, eine Münze nach
siebenfachem Fall schließlich auf einem Geldberg landen sieht,
produziert faktisch über den Verlust des Geldes stetig die analoge
Wertsteigerung eines Bildes, das saturiert seinem Ruhestand
entgegenträumt. Entkoppelt nämlich, alleine nur für
sich, geht nichts mehr und auch das nur noch abstrakt.
So ist deutlich geworden, daß an einem stillgelegten Ort des
Handels, dem Konsum, sich eine Diskussion ergeben hat, die weit
über die Bedingungen des reinen Warentauschs hinaus die
Grundlagen dieser Bedingungen auch gesellschaftlich befragt. Daß
die Attribute des vormaligen Tauschhandels in Form der noch
bestehenden Werbeschriftzüge dieser Diskussion assistieren,
macht sie sichtbar effektiver und bereichert offensichtlich die
Argumente.
Im Infocafe haben wir schließlich alle in allen Bereichen
ausgestellten Arbeiten in anderer Form wieder auftauchen lassen und
sie parallelisiert durch solche, die weit weg über
Internetzugänge oder Fernsehkanäle präsentiert
werden. Dabei spielt eine entscheidende Rolle, daß das Infocafe,
Sitz des Zentrums für künstlerische Bildmedien, ein
ehemaliger Konsum und heute schließlich ein
Dienstleistungsunternehmen in Sachen künstlerischer Produktion
geworden ist. Der argumentative Kreis schließt sich.
Mit der Präsentation des Performanceindex, einer
Mediendatenbank in Sachen Performancekunst in Basel und der
Dokumentation von ausgestrahlten Sendungen des XX Kunstkabels im
weststeirischen Kabelfernsehens, wird konsequent der Weg
gemeinschaftlicher Produktion medialer Kunstereignisse verfolgt. Die
Verknüpfung regionaler Bezüge und internationaler
Referenzen, die beiden Unternehmen eigen ist, erlaubte ihre interaktive
Präsenz wie auch die wiederholbare Abrufmöglichkeit im
Mediencafˇ.
Friederike Anders« kombiniertes Video- und Internetprojekt Die
Frau in Weiß findet sich, auch räumlich überzeugend
konstruiert, genau an der Schnittstelle zwischen klassischen Referenzen
und neuen Inhalten. Den zitierten Bildern klischierter Hollywoodstreifen
steht ihre erneute Medialisierung ebenso entgegen, wie deren
Verbreitung sie fast volkstümlich machte: sie sind nirgendwo,
dafür aber geordnet. Das Potential an typologischen Suchkriterien,
mit denen, der Rasterfahndung entsprechend, nach filmischer Gewalt an
Frauen gesucht wird, zeigt deren abgebildete Konditionierung ebenso,
wie sie in den Klischees von deren abrufbarer Verfügbarkeit die
Opfer als medial austauschbar und rollenspezifisch identitätslos
entlarvt.
Heinz Christian Wilps Bildgenerator schließlich entwickelt
jeweils vor solchen Zuschreibungen zwischen Wahrscheinlichkeit und
Zufall Strukturen, die nur dann ästhetisch genannt werden
können, wenn ihnen Bedeutung überhaupt zuwachsen
würde. Genau im Moment dieser Entscheidung nämlich, der
Bestimmung und Erklärung des errechneten Ereignisses zum
fertigen Bild, bricht Wilps programmierter Rechenvorgang ab und setzt
neu an. Vier Tage lang, so lange wie das Festival dauerte, wurden
Übergangsbilder gerechnet, um unwiderrufbare, aber auch nicht
wiederherzustellende Stationen rhetorischen Wandels vorzustellen.
Daß Ciervos Derridaportrait, vergleichbar dem Marcuseapparat im
Kulturhaus, hierzu passende Bemerkungen machte, ist höchst
wahrscheinlich.
Dem allen gegeüber in einer naturgemäß offenen
räumlichen aber inhaltlich verwandten Beziehung stehen die drei
Performances von Granular-Synthesis, BBB Johannes Deimling und Ralf
Filges. Gemeinsam ist ihnen über die jeweilig
planmäßige Choreographie hinaus die direkte Ansprache
und der direkte Kontakt mit dem Publikum, sowie die Provokation einer
teilnehmenden Reaktion. Ralf Filges Kunstaktion Frischer Wind und
Erquickung im Weichbild von Werkleitz verweigert konsequent eine
Beschreibung. Performer wie Aktion werden im Hinblick auf die zu
erwartenden Reaktionen des Publikums weder zeitlich noch
räumlich angekündigt, so daß spontanen
Äußerungen beiderseits in situationistem Hinblick vollauf
Genüge getan ist.
BBB Johannes Deimling zeigte im Anschluß an den
Ausstellungsrundgang der Eröffnung im Saal der Film- und
Videoprojektionen zusammen mit Ingo Hugger aus seiner Aktionsreihe
Verlust des Inhalts die Performance Gute Unterhaltung1. Der
präsentierte Dialog beschäftigte sich, zwar wortlos, aber
dennoch sehr eindringlich mit der Ware Sprache, den existentiellen
Grundlagen einer möglichen Streitkultur und der Frage, wie
entscheidend das Ambiente für einen Verlust des Inhalts sein
würde. Daß dabei dann verpackte Nahrungsmittel, wie Reis,
Milch oder Mehl die Argumente und Begriffe operativ ersetzten, war vor
dem Hintergrund des anschließend anstehenden Büffets von
seismografischer Relevanz.
Granular-Synthesis Projekt MotionControl Modell 5 ist eine etwa
einstündige Klang-Bild-Konstruktion bei der die Ebenen
musikalischer Zeitlichkeit mit der daraus erwachsenden
Entkörperlichung in Video-loops und -clones aufeinander
projiziert werden. Mit Mitteln der Repetition, Reproduktion und
selbstreferenzieller Elektronik werden die Kompositionen synthetisch so
verdichtet, daß sie schließlich und endlich körperlich
werden. In der baßmassiv gestützten Verschränkung
von Klang und Bild auf der Grundlage strukturaler Kompressionen ist die
Realität virtueller Systeme spürbar und deren stilistischer
Ästhetisierung folgt eine Politisierung der generierenden
Maschinerie.
Wenn hiermit nun im Überblick die Beiträge aus den
erweiterten Bereichen der Bildenden Künste skizziert sind, so
werden diese im Hinblick auf das Konzept von Cluster Images bereits
inhaltlich ergänzt von den Synopsen und Texten zu den Videos
und Filmen, die während des Festivals in den Programmen liefen.
Es ist offenbar, daß dabei die Verschränkungen,
Überlagerungen, Assoziationen und Reflexe, die sich durch die
während der Tage stattfindende Kompression der verschiedenen
Inhalte einstellten, nicht mehr und erst recht nicht ohne Präsenz
beschreiben lassen. Es ist aber ebenso offenbar, daß im Sinne des
Konzeptes und im Sinne der dafür gesammelten und eingeladenen
Beiträge es genau darum das Festival Cluster Images und seine
Markierungen gegeben hat, denn nur in der Abhängigkeit zur
Präsenz wäre von Notwendigkeit überhaupt noch zu
reden.
Hinweise