AM 1. JULI 2002 UM 23:35:32 UHR KAM ES IN DER NÄHE VON ÜBERLINGEN IN CA. 11.700 M HÖHE ZU EINEM ZUSAMMENSTOSS EINER RUSSISCHEN PASSAGIERMASCHINE, EINER TUPOLEW TU 154 M, DIE SICH AUF DEM FLUG VON MOSKAU NACH BARCELONA BEFAND, MIT EINER ENGLISCHEN TRANSPORTMASCHINE, EINER BOEING B757, DIE VON BERGAMO NACH BRÜSSEL FLOG.
BEIDE FLUGZEUGE STÜRZTEN AB. DIE WRACKTEILE WURDEN WEIT VERSTREUT GEFUNDEN.
BEI DEM UNGLÜCK STARBEN 71 MENSCHEN AUS 3 NATIONEN, DARUNTER 45 KINDER UND JUGENDLICHE. NIEMAND ÜBERLEBTE.
Entwurfsbeschreibung der Gedenkstätte (Der Entwurf wurde nicht realisiert)
Ausgangspunkte unseres Entwurfes waren Lage, Charakteristik und die intendierte Bedeutung des Aufstellungsortes in der Nähe von Brachenreuthe. In Hanglage am Waldrand öffnet sich dort ein Landschaftspanorama mit weitem Blick. Der Platz selbst war nicht Ort des Geschehens, d. h. er gehörte nicht zu den Fundstellen von Spuren der Katastrophe. Um ihn in dieses Geschehen einzubinden, haben wir die Ereignisse des Unglücks in unserer Gestaltung parallelisiert.
Unser Entwurf gliedert sich in zwei Teile:
1. eine ebene, horizontale Plattform von ca. 12,5 x 11 m und
2. ein einzeln stehender Zylinder von ca. 2,1 x 1,6 m (H x B).
Die Plattform wird gebildet von drei ineinander geschobenen Kreisformen, die sich in südlicher Richtung ca. 60 cm über das Gelände erheben. In nördlicher Richtung läuft die Fläche eben in das Gelände aus und wird durch eine Böschung begrenzt. Die Fläche ist von zehn Linien (jeweils 4, 8 oder 12 cm breit) durchzogen. Sieben Linien (8 cm) zeigen auf je eine größere Fundstelle von Wrackteilen, zwei Linien (12 cm) zeigen die Flugrichtung der beiden Maschinen an und eine Linie (12 cm) zeigt in die Richtung des Zusammenstoßes in ca. 11,7 km Höhe. Die drei zuletzt genannten Linien sind beschriftet; sie tragen eine Beschreibung des Geschehens vom 1. 7. 2002. Vier konzentrische Ringe (4 cm Linienstärke) bilden eine eigene Binnenform. Die Gesamtfläche beträgt ca. 110 qm und ist mit einer 8 cm breiten Konturlinie umrissen.
Auf der Plattform stehen im nördlichen Teil ein Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum), der im Lauf der Jahrzehnte zum höchsten Baum der Gegend (ca. 50 m) wachsen wird und im südlichen Teil drei kleine Eiben (Taxus baccata), die in die Form des Mammutbaumes geschnitten werden. Sie müssen als Miniaturen des großen Baumes (ca. 50 - 60 cm hoch) gehegt werden. Die Dimensionen der vorgeschlagenen Bepflanzung haben Modellcharakter: sie über- bzw. unterschreiten den natürlichen Bewuchs der Umgebung erheblich. Damit werden Perspektiven, Größen- und Wahrnehmungsrelationen thematisiert.
Etwa fünf Meter von der Plattform entfernt steht in südöstlicher Richtung am Weg die zylindrische Form. Der untere Bereich (ca. 1,4 m hoch) wird von Eibenhecken gebildet, die insgesamt zylindrisch beschnitten sind. Ihre Oberkante liegt auf derselben Höhe wie die Oberkante der Plattformfläche. Darüber befindet sich ein weißer Zylinder, den in verschiedenen Durchmessern axial nochmals die drei Hauptereignisrichtungen öffnen. Durch diese verglasten Rundfenster sieht man auch ins Innere des Körpers. Es ist grün beschichtet mit dem gleichen Material wie die Plattform. Weitere Öffnungen fassen Plexiglaszylinder, durch die man auf je einen Foto- oder Textbeitrag der Hinterbliebenen oder Helfer blickt.
Während sich auf der Plattform im Tagesverlauf ein bewegtes Bild von Schatten und Projektionen abspielt, bleibt die zylindrische Form von Schatten unberührt. Insgesamt bildet das Ensemble ein organisiertes Wahrnehmungsmodell, das Perspektiven, Achsen und Lineaturen (Ereignispunkte, Himmelsrichtungen, Flugkorridore, Vermessungspunkte, Verkehrswege, Flurpläne etc.) sichtbar werden läßt und gleichzeitig die Intimität der persönlichen Erinnerung schützt.
Ausführung
Die Plattform besteht aus fundamentierten Betonringsegmenten. Der von ihnen umschlossene Raum wird mit Schotter aufgefüllt und mit einer wasserdurchlässigen Asphaltschicht befestigt. Der gesamte Körper wird 2 cm stark mit einem elastischen Bodenbelag (SRP-Elastikbelag aus gekörntem Recycling-Gummi) beschichtet. Die vertikalen Flächen sind weiß, die horizontalen grün (siehe Musterbild). Die Linien und Beschriftungen sind aufgespritzt. Im bepflanzten Bereich ist die Fläche geöffnet. Der Belag vermittelt eine natürliche Elastizität und ist nicht wärmeleitend. Das erlaubt, den Absatz im südlichen Bereich der Plattform in einer Länge von ca. 8 lfdm als Sitzbank zu nutzen.
Der Zylinder besteht aus einem gesockelten und ebenfalls gummi-beschichteten Aluminiumkörper mit Deckel. Die Öffnungen (Bohrungen) sind witterungsbeständig mit Glas verschlossen. Der Sockel ist mit Eibenhecken umwachsen.
Der als Felsblock gekennzeichnete Findling soll ebenso entfernt werden wie das Holzkreuz auf der kleinen Verkehrinsel Höllwangen. Es wird angeregt, diesen Platz wieder den Kindern von Brachenreute als ihre Insel Mainau zur Verfügung zu stellen.
Pflege
Die Bepflanzung des Ensembles ist immergrün und auf die boden- sowie klimatypischen Bedingungen der Umgebung abgestimmt. Sie muss aber gehegt werden. Für die gärtnerischen Arbeiten ist eine 5-jährige Gewährleistung kalkuliert. Damit wird sichergestellt, dass die Bäume anfänglich optimal betreut werden und sicher einwachsen. Die Einsetzhöhe des Bergmammutbaumes wird ca. 8 m betragen. Seine Wachstumserwartung liegt in Süddeutschland in 140 Jahren seit dieser Zeit wird er vereinzelt gepflanzt bei 45-50 m. Das Anfangswachstum ist deutlich beschleunigt, einen Wachstumsstopp gibt es nicht.
Der Bodenbelag ist witterungs- und alterungsbeständig, lichtecht und nicht entzündlich. Er sollte in regelmäßigen Abständen gereinigt werden. Die aufgespritzten Beschriftungen und Linien sind abriebfest und lichtecht.
Bei der Konzeptionierung des Entwurfes wurde darauf geachtet, dass der Zugang zu den Objekten behindertengerecht möglich ist.